Am vergangenen Samstag waren wir in Aalen bei einem Lehrgang, den Sifu Michael Schlipf von der WMAA organisiert hat. Er hat Maestro Roberto Laura als Gast-Dozenten zum Thema „Traditioneller italienischer Messerkampf“ eingeladen. Eine Vorstellung davon, wie toll das werden würde, hatte wohl keiner von uns vorher. Unglaublich! Danke Sifu Michael!
Starker Einstieg – Messerkunde
Maestro Roberto Laura zeigte am Anfang verschiedene Kampfmesser aus Mittel- und Unteritalien in unterschiedlichen Formen. Alle lang, scharf, feingliedrig und spitz, Längen bis über 70 Zentimeter – sehr beeindruckend. Mit vielen Informationen zu kulturellen Hintergründen nahm uns Maestro Roberto mit in die Welt der Messer. Die Schilderungen, wozu manche Messer hergenommen wurden, ließen uns trotz seiner durchaus humorvollen Präsentation den einen oder anderen Schauer über den Rücken laufen. Die Story mit dem Schändungs-Messer hat sich ganz sicher jeder gemerkt…
Eine neue Welt für uns – Sizilianischer Messerkampf
Genauer gesagt sizilianische Messerkampf-Tradition aus Riposto (einer kleinen Hafenstadt in der Nähe von Catania).
Dieser Stil wird heute die „kreisende Schule“ (sizil. scuola rutata) genannt. Man schätzt, dass diese Schule vor ca. 200 Jahren entstand, da man ein Messer daraus gefunden hat, das 1810 gefertigt wurde.
Sie basiert auf Prinzipien und aggressiven Taktiken, die in sechs Lektionen bzw. Techniken vermittelt werden.
„Nur“ in sechs Techniken sagt Roberto. Das mit „nur“ sahen wir ziemlich schnell ein wenig anders… :-). Denn nun tauchten wir richtig ein in eine neue faszinierende Kampfkunst-Welt: andere Logik, andere Taktik, anderes Kopfkino.
Und andere Begriffe! Wir hatten das Glück, dass Maestro Roberto uns die italienischen Begriffe & Techniken in „Wing Chun-Sprache“ übersetzen konnte. Genial.
Lektion eins – das „enge Messer“
Wie es die Tradition in dieser sizilianischen Schule ist, war unsere erste Lektion das sogenannte „enge Messer“ (sizil. cutteddu strittu).
Maestro Roberto trainierte mit uns die grundlegende Position, die man braucht um dem Gegner an Reichweite, Schnelligkeit und Kraft überlegen zu sein. Wir lernten, uns durch die Körperstellung, die Haltung der Arme und durch die Platzierung des Messers (im Training ein Stock) zu schützen.
Auch zeigte er uns eine erste taktische Vorgehensweise, um dem Gegner „den Raum zu nehmen“ bzw. um diesen mit Druck anzugreifen. Wichtig dabei ist, dass diese Technik auch auf engsten Raum funktioniert.
Diese Form des Messer- und Stockkampfes wird sehr selten gezeigt, weshalb wir es als besondere Ehre sahen, das mit Maestro Roberto zu trainieren.
„Nur“…
Ehe wir uns versahen, waren drei Stunden um, uns schwirrte der Kopf und wir versuchten, das Erlebte und Gelernte irgendwie & irgendwo abzuspeichern.
Maestro Roberto ist ein genialer Lehrer – das muss hier erwähnt werden. Alle Teilnehmer konnten sich unter seiner präzisen, inhaltlich sehr deutlichen und humorvollen Anleitung auf das Thema einlassen. Was nicht immer einfach ist, denn es geht um Leben und Tod. Mit dieser mentalen Grundlage und seinen tollen Trainings-Korrekturen haben wir alle unglaublich schnell gelernt. Sein schier unerschöpfliches kulturhistorisches Wissen hat uns dazu noch viele Zusammenhänge verstehen lassen.
Ein „Schmankerl“ zum Schluss
Maestro? Was heisst Schmankerl auf italienisch?
Wie aus dem Nichts hergezaubert tauchte Ossi (Özgen Senol) auf, ein Schüler von Maestro Roberto. Die beiden führten uns ein Übungsgefecht im Stile einer apulischen Messerkampft-Tradition vor. Sie zeigten uns in einer ritualisierten Form verschiedene Figuren und Schritte. Dem Sinne nach ähnlich wie unsere Formen, die ja auch durchaus elegant aussehen, wenn sie korrekt ausgeführt werden. Aber mit dieser tänzerischen Leichtigkeit können wir im Wing Chun zugegeben nicht mithalten :-). Toll!
Unser Fazit – wir sind begeistert!
Dieser Lehrgang ist ein unvergessliches Erlebnis, das uns einen Einblick in eine faszinierende Kampfkunst gibt. Wir nehmen daraus nicht nur neue Techniken & Taktiken und viele historische & kulturelle Informationen mit. Maestro Robertos Ausführungen liefern uns auch Stoff für die eine oder andere grundlegende Neubetrachtung der Prinzipien von Kampfkunst und Selbstverteidigung.
Maestro Roberto Laura, es war uns eine Ehre und ein Vergnügen mit Dir zu trainieren. Dich kennengelernt zu haben, ist eine echte Bereicherung unserer persönlichen Kampfkunst-Welt. Oder wie Sifu Henry es ausdrückt: „Wer nicht dabei war, hat eine echte Kampfkunst-Bildungslücke!“
Danke!!!
Sifu Stefan, Sifu Torsten, Sihing Martin, Ruben und Uta
Die Bücher von Roberto Laura
Dialoghi – Eine philosophische Betrachtung des italienischen Messerkampfes sowie Gedanken zu Selbstverteidigung mit der kurzen Klinge
Das Schwert des Volkes – Geschichte, Kultur und Methodik des traditionellen italienischen Messerkampfes
Der Bericht über Teil 2 des Lehrgangs „Wing Chun- Situations-Training“ mit Sifu Michael Schlipf und Sifu Henry Müller folgt in Kürze.